Amanda Sthers - Schweine züchten in Nazareth

Luchterhand Verlag - ISBN: 98-3-630-87362-6


Klappentext:
Was für eine schreckliche Pariser Familie. Harrys Tochter Annabelle verliebt sich ständig in viel zu alte Männer, die sich in letzter Sekunde dann doch nicht entschließen können, sich von ihrer  Frau zu trennen. Harrys Frau Monique wird nicht müde, ihr das immer wieder vorzuwerfen. David, der schwule Sohn, ist ein gefeierter Theaterautor. Aber er ist tiefunglücklich, weil Harry seit dem Outing nicht mehr mit ihm spricht. Schlimmer: Harry, einst erfolgreicher Kardiologe, hat die Nase voll von dem ganzen Trubel und steigt aus. In Nazareth findet er eine neue Leidenschaft: das Schweinezüchten.




Manchesmal komme ich zu einem Buch, wie die Jungfrau zu ihrem Kind. 
Es ist als Mängelexemplar im Preis reduziert, sagt mir gar nicht, sieht aber vom Cover her gut aus und der Titel klingt auch irgendwie gut. Genauso erging es mir mit diesem Buch. Wenn die Lektüre dann auch noch erfreut, umso besser. 

Tatsächlich, dieses Buch hält was Titel und Optik versprechen, es hat mich nach den ersten Seiten überzeugt. 
Eine jüdische Familie, deren männliches Oberhaupt Harry Rosenmerck, ein Kardiologe, die Flucht vor sich selber ergriffen hat und in Nazareth Schweine züchten möchte, kommuniziert nur noch mittels Briefen und Emails. Es gibt auch kaum eine andere Möglichkeit, verweigert sich Harry in Nazarath dem Telefon.
Ein moderner Briefroman also, in welchem sich vier Familienmitglieder und ein Rabbi einen schriftlichen Schlagabtausch über 9 Monate hinweg liefern. 

Oberflächlich betrachtet ist es zum Brüllen komisch, was sich der Auswanderer Harry Rosenmerck mit dem Rabbi Moshe Cattan und seiner Familie so schreiben.

Lieber Ex-Ehemann und trotz allem Vater meiner Kinder.Ich will mich kurzfassen und dabei möglichst präzise sein. Du bist ein unverbesserliches Arschloch. 
Ich kann nicht in Ihre Jeschiwa kommen. Es ist nichts Persönliches, glauben Sie mir, aber ich habe so lange gebraucht, bis ich mir einen Farbfernseher leisten konnte, dass es mir schwerfällt, das Leben in Schwarzweiß zu sehen.
Nach und nach jedoch offenbart sich das ganze familiäre Drama um Verlustängste, Versagen und der Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung. 
Gegenseitige Verletzungen und familiärer Wahnsinn bestimmen den Alltag. Das Einlenken und Akzeptieren anderer Lebensentwürfe, sowie der Respekt vof dem Gegenüber, scheinen fast unmöglich.

 Es ist seltsam, je seltener ich dich sehe, desto ähnlicher werde ich dir. Ich suche dich in meinen Spiegeln.
Dieser Roman ist jedoch nicht nur eine Familiengeschichte, die Autorin gewährt ganz nebenbei kurze und kritische Einblicke in die Israelische Gesellschaft, wobei sich Juden und Moslems zumindest in einem Punkt einig sind: Schweine züchten geht gar nicht. 
Ein glaubwürdiger Roman, der mit seinen gerade mal 190 Seiten zu überzeugen weiß und verdeutlicht, dass Weglaufen auch keine Lösung ist.

Danke Moshe, du bist mein Freund. Ich hatte noch nie einen Freund, mit dem ich so wenig einer Meinung war. Ich finde das großartig. Du solltest dir einen Hamasterroristen als Brieffreund suchen und ich einen kroatischen Wolfszüchter. Die Briefe, die wir uns schreiben würden, wären zum Totlachen.

Kommentare

barbara rath hat gesagt…
In der Tat: vielversprechend!
In allem Drama liegt oft viel Komik - wenn wir den Mut haben, die zu entdecken und tatsächlich darüber zu lachen, wrid das Leben viel erträglicher!
LG
Barbara
Isabelle hat gesagt…
Nur bleibt uns leider im privaten Leben meist das Lachen im Halse stecken. Die Komik im alltäglichen dramatischen Miteinander zu entdecken und wirklich darüber lachen zu können ist wohl eine Kunst die man lernen muss.
monerl hat gesagt…
ein wahrlich interessantes buch! wo stolpert man über so eine lekture? ;-)

(dies ist mein allererster eintrag über meinen jungfräulichen blog. ich dachte, ich versuch mich auch mal, sehe aber -noch- vor lauter bäumen den wald nicht mehr. ich werde sicherlich noch viele, viele tage brauchen, bis ich verstehe, wie der nächste schritt gemacht wird...)

zumindest erscheine ich hier nicht mehr als anonym! ;-)
Isabelle hat gesagt…
Prima und willkommen. Viel Spaß beim Rumdoktorn. Da geht noch so einige Zeit für drauf, ich spreche aus Erfahrung. Einen Follower hast du aber schon. :-))
monerl hat gesagt…
hach, du machst mich glücklich! :-)
Isabelle hat gesagt…
Das freut mich :-)))